Anonym durch Avatare
Im BMBF-Projekt „AVATAR“ suchen 18 Partner aus Industrie und Forschung neue Ansätze zur Anonymisierung und Analyse von Patientendaten. Mittels digitaler Avatare sollen so personalisierte Daten aus Medizin und Pflege einfacher für die Forschung zugänglich gemacht werden.
Mit der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft steht der biomedizinischen Forschung potentiell eine große Menge nützlicher Daten zur Verfügung. Doch gerade im Gesundheitsbereich können viele Daten wegen bestehender Datenschutzanforderungen nicht genutzt werden oder sind für konkrete Forschungsfragen nicht verfügbar.
Im Ende 2022 gestarteten Projekt AVATAR soll dieser Widerspruch durch einen neuen Anonymisierungsansatz aufgelöst werden, um damit eine bessere Versorgung der Patienten, effiziente Produktentwicklungen und kurze Entwicklungszeiten zu ermöglichen. Das von Jena aus koordinierte Konsortium vereint 18 Partner (davon 17 aus Thüringen) und wird über drei Jahre durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Europäische Union gefördert.
Avatar = Datenzwilling
Im AVATAR-Projekt werden dezentral erhobene Gesundheitsdaten systematisch zusammengeführt und als digitale „Avatare“ – eine Art computergenerierter, anonymer Datenzwilling – für die Forschung und Entwicklung zugänglich gemacht. Diese künstlichen Personen liefern somit wertvolle Informationen, die auf medizinischen Daten realer Personen basieren, ermöglichen aber keinen Rückschluss auf die realen Datenspender. Die zentrale Aufgabe des Projekts ist deshalb die Entwicklung effektiver Anonymisierungsprozesse, die für die vielen täglich anfallenden Daten im Gesundheitswesen erstmals eine praxistaugliche Nutzungsperspektive aufzeigen. Die in AVATAR erarbeiteten Verfahren werden anhand von Praxisbeispielen aus der Genomsequenzierung, Hörgesundheit, medizinischen Bildgebung und Hirnstrommessung (EEG) erprobt und kontinuierlich verbessert.
Bewährt sich dieser Anonymisierungsprozess mittels Avataren, könnte dies den derzeitigen Widerspruch zwischen Datenschutz und Datennutzung auflösen und ein universelles Konzept für weitere Branchen und Fragestellungen darstellen. Daten könnten so zum Wohle der Gesellschaft bestmöglich eingesetzt und nachhaltig genutzt werden. Die im Projekt konzipierten Lösungen sollen deshalb gezielt an bestehende öffentliche Dateninfrastrukturen anknüpfen und damit Teil des Europäischen Datenraumes werden.
Um auch Forscher, Kliniker, Patienten sowie freiwillige Datenspender an technologisch wie rechtlich komplexe Konzepte der Datenanonymisierung heranzuführen, widmet sich das AVATAR-Projekt auch dem Wissenstransfer: In einem Open Science Lab werden Schulungen und Führungen angeboten, die den Prozess von der Datenerhebung hin zum anonymisierten Avatar erlebbar und verständlich machen. Auf diese Weise soll die Bereitschaft zur freiwilligen Datenspende gestärkt und der gesamtgesellschaftliche Nutzen von medizinischen Daten gezeigt werden.
Dieser Beitrag erschien in |transkript 1/2023.